Mitso’s Welt – Highway to Hellas VII

photofunia-ce4882Alexandros hat das wohl klar erkannt und mir auch erklärt, wo das eigentliche Problem liegt. Hat er auch wieder im SZ Magazin der Ausgabe 05/2010 geschrieben, aber hier kriegt Ihr das kompakt und mit guter Musik unterlegt:

„TO PROBLHMA – Das Problem
Gerade mal 5.000 Griechen geben in ihrer Steuererklärung an, mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr zu verdienen. Schwer zu glauben, wenn man sich die Yachthäfen rund um Athen anschaut oder an einem Samstagabend einen Blick auf die bewachten Parkplätze der angesagten Bars und Clubs wirft: Ferrari, Lamborghini, Bentley.
»Ein stinknormaler Porsche«, sagt Parkplatzwächter Panos, der von Trinkgeldern lebt, »muss hier schon in vierter oder fünfter Reihe parken. Nicht extravagant genug.«

Das zentrale Problem dieses Landes ist dennoch nicht die offenkundige Steuerhinterziehung, es ist der fehlende Gemeinsinn. Trotz jährlich wiederkehrender Waldbrände existiert keine freiwillige Feuerwehr, die diesen Namen verdient.

Und wenn doch, passiert das: 32 Löschfahrzeuge waren sie im vergangenen Sommer, eilten herbei von Thessaloniki, Athen zu retten. Die freiwillige Feuerwehr. Befehlshabender: Nikos Sachinidis, 57 Jahre alt, sechs Herzinfarkte. Sie brausten über die Autobahn, nein, wollten brausen. Hatten aber nicht mit der Maut gerechnet. Jedes Mal bremsen, bezahlen, 32-mal die Schranke hoch und runter, fahren, bremsen, bezahlen. Attika stand da schon in Flammen.

photofunia-ce4b23»7.529 Euro Mautkosten«, rechnet Nikos Sachinidis vor, »und genau fünfeinhalb Stunden Verspätung.« Als die Freiwilligen die Feuerfront erreichten, sahen sie sich von zornigen Bürgern umringt. »Wo wart ihr? Wofür bezahlen wir euch?« Man verwechselte sie mit der Berufsfeuerwehr, beschimpfte und schlug sie. Am Ende hatten sie 98.000 Euro aus eigener Tasche bezahlt. Das Finanzministerium bedauerte: Kein Geld in der Kasse. »Spinnen die?«, fragt Sachinidis.

Welches Blatt man auch wendet, welche Statistik man auch heranzieht, fast immer steht Griechenland ganz unten.
Waldbrandbekämpfung: versagt. Asylpolitik: versagt. Bildungs-, Gesundheits-, Renten-, Steuerpolitik: versagt.

Jetzt soll ein rigoroser Sparplan alles ändern: höhere Steuern auf Tabak, Treibstoff und Getränke. Zudem sollen die Gehälter von Staatsdienern eingefroren oder um vier Prozent gekürzt werden. Alle Ministerien sollen zehn Prozent weniger ausgeben, und Premierminister Papandreou hat bereits öffentlichkeitswirksam auf seinen Dienst-Mercedes verzichtet. Er fährt jetzt Skoda. Aber reicht das?

Die Steuererhöhungen akzeptieren die Griechen vielleicht gerade so zähneknirschend, obwohl zwei Drittel von ihnen immer noch nicht bereit sind, einen persönlichen Beitrag zur Verbesserung der Finanzlage ihres Landes zu leisten. Was Griechenland neben einem Sparplan braucht, ist ein grundlegender Mentalitätswechsel.

photofunia-c468c0Die griechische Regierung um Georgios Papandreou hat das auch erkannt. Sonntagnachmittag, Kabinettssitzung. Live im Internet. »Einen neuen politischen Stil«, verspricht der Premierminister. »Offene Regierung«, heißt das Motto. »Die Ministerien werden im Internet über jeden Kassenzettel, jede Entscheidung, jede Personalie Rechenschaft ablegen«, kündigt er an. Zur »offenen Regierung« gehört auch, dass sich die Griechen via Chat mit den Politikern unterhalten können.

Diese Woche kam in einem der Diskussionsforen eine originelle Idee auf: ein Spendenkonto namens »Nationale Rettung«. Jeder Bürger soll da nach seinen Möglichkeiten einzahlen, sagt zum Beispiel Panagiotis Amoiridis, 23 Jahre alt. Gute Idee, pflichteten viele bei. Scrollte man seinen Diskussionspfad aber ein bisschen weiter nach unten, fand man einen ebenfalls vielfach gelobten Eintrag von »Ellas2010«: »Super Idee, das Spendenkonto! Gebt die Bankdaten doch bitte gleich an die EU-Kommission weiter. LOL.«

Die Griechen, so perfide es klingt, stecken alle unter einer Decke. Und als Grieche sage ich das halb desillusioniert, aber auch halb amüsiert. Wir haben einen Lebensweg entwickelt, der es uns erlaubt, nicht auf Gesetze, nicht auf Verordnungen und nicht auf Politiker angewiesen zu sein. Es gibt dafür ein schönes altgriechisches Wort: Anarchismus. Oder anders ausgedrückt: Wir sind unregierbar.

Hmmm, da hat er wohl Recht, der Alexandros, mir kommt das auch so vor, obwohl ich als kleiner Hund da bestimmt viel zu wenig drüber weiß. Aber wenn Ihr noch ein einziges Beispiel für die offensichtliche Richtigkeit all dieser Aussagen braucht, dann findet Ihr dieses im VIII. und letzten Teil des „Highway to Hellas“…
dittsches-signatur